Wohnen

Wohnen

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Die Versorgung mit ausreichend bezahlbarem Wohnraum gehört dabei zu den wesentlichen Aufgaben der Stadt- und Wohnungspolitik. Die Städte stehen vor der Herausforderung das Wohnen unter sich verändernden demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Zielgruppen anzupassen und die Wohn- und Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. 

Wohnen

Die Digitalisierung verändert das Wohnen und den Wohnungsmarkt von der Planung, über die Wohnungssuche, den Vermietungsprozess bis zum alltäglichen Leben in der Wohnung.  

Das Bevölkerungswachstum in Erfurt ist weiter gestiegen. Die Wohnungsunternehmen haben auf die veränderten Bedingungen reagiert und die Gebäude- und Wohnnutzung den vielfältigen Lebensstilen und Familienstrukturen durch flexible Mietmodelle und individuell veränderbaren Wohnungsausstattungen angepasst. Die zunehmende Anonymität in den Städten und die demografischen Veränderungen haben dazu geführt, dass sich neue Wohnformen in Erfurt stärker etabliert haben. Die Gemeinschaft im Quartier und der Nachbarschaft wird aktiv von den Wohnungsunternehmen und der Stadt gefördert. Digitale Medien und Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle. 

2035 gehören smarte Technologien zur Basis-Ausstattung der Wohnungen.

Veränderte Ansprüche und Bedürfnisse an das Wohnen führen zu Umstrukturierungen in der Immobilienwirtschaft. Mittels Virtual Reality und Augmented Reality ist die Planung von Wohnprojekten und -gebäuden realitätsnaher. Schon bevor die Umsetzung stattfindet, können Eigentümer*innen, Bauherr*innen und Architekt*innen das Projekt besichtigen und so die komplexen Strukturen erfassen und Probleme schnell identifizieren. Fehler können schon vor Baubeginn entdeckt und damit zusätzlich Zeit und Kosten einsparen.

Das durch die Digitalisierung veränderte Kommunikationsverhalten und neue Kommunikationsbedarfe haben dazu geführt, dass die Kommunikation zwischen Wohnungsunternehmen und Kunden sowie die Kundenansprache interaktiver ist. Die Zeitersparnisse bei Organisations- und Verwaltungsaufgaben durch digitale Prozesse werden für eine stärkere Kundenorientierung genutzt.  Der intensivere persönliche Kontakt und die Beratung der Mieter*innen stärkt nicht nur das Vertrauen zwischen Unternehmen und Kund*innen, sondern ermöglicht auch Mitgestaltungsmöglichkeiten von Seiten der Kund*innen/Mieter*innen und gleichzeitig die schnellere Anpassung an veränderte Ansprüche. So werden zum Beispiel Schadens- oder Beschwerdemeldungen von Mieter*innen direkt über Plattformen, sozialen Medien oder Apps an die Wohnungsunternehmen übermittelt. Dies erhöht nicht nur die Kundenbindung, sondern ermöglicht auch die direkte Beteiligung der Bewohner*innen am Aufbau und der Pflege des Wohngebäudes oder des Quartiers. 

Kosten der Smart-Technologien sind aufgrund gestiegener Nachfrage und Cloudnutzung deutlich gesunken, wodurch der Einsatz von Smart Home und Smart Building-Systemen für Wohnungsunternehmen und Bevölkerung erschwinglich geworden ist.

Wohnungsunternehmen, Mieter*innen und externe Anbieter und Dienstleistungsunternehmen wie Lieferanten, Handwerksbetriebe sowie Pflege- und Servicedienste kooperieren verstärkt. Dies geschieht zum Beispiel auf Online-Portalen. Der Vermietungsprozess verläuft ausschließlich digital und auch die Wohnungssuche ist stärker auf die Anforderungen der Haushalte ausgerichtet. Lange Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen gehören der Vergangenheit an. Stattdessen werden die Wohnungen mittels Virtual Reality realitätsnah begehbar gemacht und können so von überall besichtigt werden. Dies erspart Wohnungsunternehmen und Wohnungssuchenden Zeit, die in anderen Bereichen effizient eingesetzt werden kann. 

2035 gehören smarte Technologien zur Basis-Ausstattung der Wohnungen. Die Kosten der Systeme und Technologien sind aufgrund gestiegener Nachfrage und Cloudnutzung deutlich gesunken, wodurch der Einsatz von Smart Home und Smart Building-Systemen für Wohnungsunternehmen und Bevölkerung erschwinglich geworden ist. Art und Umfang der Wohnungsausstattung variieren jedoch je nach Alter, Haushaltstyp und Lebensstil. 

Für die privaten Haushalte steht neben der Erhöhung des Komforts die intelligente Steuerung von Gebäudefunktionen und die Energieeffizienz im Vordergrund. Dies betrifft die Bereiche Klimatisierung, Wasserhaushalt, Elektrizität und Licht. So wird zum Beispiel die Wäsche automatisch sortiert und die Waschmaschine schaltet sich zu der Tageszeit an, wenn der Stromtarif am günstigsten ist. Auch Heizung und Licht wird je nach Temperatur und Verhältnissen stromsparend gesteuert. 

Die Küchenausstattung beinhaltet eine intelligente Vernetzung von Einkaufen, Vorratshaltung und Zubereitung. Kühlschrank und Einkaufsliste sind dabei direkt verknüpft. Intelligente Tapeten ermöglichen individuelle Wandgestaltungen, die personalisiert und nach Wunsch geändert werden können. Besonders für die Kinder- und Jugendzimmereinrichtung ist das ein geeignetes Element zur Selbstverwirklichung.  

Assistenzsysteme ermöglichen besonders für ältere Menschen trotz Hilfsbedürftigkeit ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung.

2035 hat sich die Wohn- und Lebensqualität durch die Digitalisierung besonders für ältere Menschen verbessert. Wohnformen wie gemeinschaftliches Wohnen, die eine gegenseitige Unterstützung und Nachbarschaftshilfe beinhalten, sind stark nachgefragt. Die digitalen Medien fördern die Kommunikation und den Austausch unter den Bewohner*innen und damit das nachbarschaftliche Engagement. Ältere Menschen unterstützen zum Beispiel Familien bei der Kinderbetreuung, die im Gegenzug den Einkauf für ältere Menschen übernehmen. Dies vermeidet zum einen die soziale Isolation älterer Menschen und erleichtert gleichzeitig den Alltag für Familien und Erwerbstätige. Zudem sind die meisten Wohnungen barrierefrei zugänglich und ermöglichen so ein altersgerechtes Wohnen, ohne im hohen Alter das gewohnte Umfeld verlassen zu müssen.

Die Wohnungen sind durch Systeme wie Smart Home oder Ambient Assisted Living so ausgestattet, dass die Sicherheit für die älteren Bewohner*innen in der eigenen Wohnung durch Sensoren zur Sturzerkennung im Boden und automatische Lichteinstellungen gewährleistet ist. Auch mögliche Gefahrenquellen, wie Herd und Heizung werden überwacht und gesteuert, sodass diese sich automatisch abschalten, sobald die Wohnung verlassen oder das Abschalten vergessen wird. Im Notfall werden bei Unregelmäßigkeiten automatisch Warnmeldungen an Hilfs- oder Pflegedienste weitergegeben. Zudem erleichtern die Technologien alltägliche Tätigkeiten wie Wäsche waschen oder putzen. Die Assistenzsysteme passen sich dabei den Bedürfnissen und Nutzeranforderungen sowie den körperlichen und geistigen Einschränkungen individuell an. Dadurch ermöglichen die Assistenzsysteme besonders für ältere Menschen trotz Hilfsbedürftigkeit ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung. Ältere Menschen, die keine dauerhafte medizinische Betreuung benötigen, können somit weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben bleiben, ohne in einem Heim betreut werden zu müssen. Familienmitglieder, die aufgrund des hohen Zeitaufwandes oder zu großer Entfernung nicht die Möglichkeit haben, die Pflege oder Betreuung zu übernehmen, werden durch die Unterstützung smarter Systeme ebenfalls entlastet.


Auswirkungen der Konzepte

Die Finanzierung von intelligenten Wohnsystemen hängt allgemein von Art und Umfang des Systems ab und variieren deshalb stark. Ein kabelgebundenes System ist dabei kostenintensiver als ein funkbasiertes System. Die Preise beginnen bei mehreren hundert Euro und sind nach oben hin nicht begrenzt () Die steigende Nachfrage sowie die Weiterentwicklung der Technologien in Bezug auf Design, Technik und Installation werden das Preisniveau deutlich senken. Bereits existierende Förderprogramme der KfW wie „Altersgerecht Umbauen“ und „Energieeffizient Sanieren“ beinhalten Möglichkeiten zur Installation von Smart Home Systemen, beschränken sich aber auf Sicherheitsmaßnahmen oder die energieeffiziente Sanierung und nicht auf den Einsatz einer gesamtheitlichen intelligenten Vernetzung der Wohnung oder Wohnhäuser. Trotzdem stellen Förderprogramme ein wichtiges Instrument zur Finanzierung intelligenter Wohnsysteme dar. Um die Kosten so gering wie möglich zu halten, sind eine frühzeitige Kalkulation und Planung Grundvoraussetzung. Nur so können Fehlplanungen und damit zusätzlich entstehende Kosten verhindert werden. 

Neue Technologien können Gefahren abwehren oder präventiv wirken und damit das Sicherheitsgefühl der Haushalte erhöhen

Die Digitalisierung im Bereich Wohnen kann vielfältige Chancen für Haushalte und Gesellschaft bieten. Der Einsatz von smarten Technologien im Bereich Wohnen kann den Lebensalltag unterstützen. Die Arbeitserleichterung kann auf verschiedene Anwendungsbereiche übertragen werden. Intelligente Haushaltsgeräte können durch automatisierte oder vereinfachte Arbeitsabläufe zu Zeitersparnissen für die Haushalte führen, die für mehr Freizeitaktivitäten genutzt werden können (vgl. Mittermüller, Fischer, Riedl 2019: 3).

In Bezug auf die Ökologie kann der Einsatz digitaler Technologien im Wohnen zu einer Verringerung des Ressourcenverbrauchs führen, da diese die Energienutzung, Gas und Wasser so steuern, dass diese möglichst effizient und sparsam eingesetzt werden. Der geringere Ressourceneinsatz wirkt sich positiv auf die Umwelt aus und verringert den Einsatz fossiler Brennstoffe. Zudem führt ein niedriger Energieverbrauch zu finanziellen Einsparungen bei den privaten Haushalten (vgl. Brinker, Hengelage 2014: 87f.). 

Eine weitere Chance der Digitalisierung ist der Sicherheitsaspekt. Neue Technologien können Gefahren abwehren oder präventiv wirken und damit das Sicherheitsgefühl der Haushalte erhöhen. Besonders ältere Menschen, deren Wahrnehmung und Gedächtnis im Alter eingeschränkt sein kann, können so vor Unfällen und Schäden geschützt werden (vgl. Meyer, Schulze 2009: 24). Für Senior*innen oder pflegebedürftige Menschen bedeutet die digitale Vernetzung und Ausstattung der Wohnung mehr als ein Gewinn an Komfort. Sie ermöglicht die gesellschaftliche Teilhabe sowie die Förderung und den Erhalt der Selbstbestimmung, Mobilität und Gesundheit. Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen können unabhängig vom Alter trotz Pflege- oder Hilfsbedürftigkeit in der gewohnten Umgebung leben bleiben und damit unabhängig und selbstständig sein. Dies kann positive Effekte auf die physische und psychische Gesundheit haben (vgl. Weis et al. 2017: 14f.). 

Die Wohnungssuche ist für potenzielle Kund*innen effizienter und individuell auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Kund*innen zugeschnitten. Die Suche nach geeigneten Immobilien oder Wohnungen wird dadurch transparenter. Der digitale Vermietungsprozess optimiert die wirtschaftliche und organisatorische Effizienz der Wohnungsunternehmen (vgl. Bölting, Königsmann, Neitzel 2016: 78f.). Die Kommunikation der Immobilienwirtschaft und ihrer Kund*innen wird interaktiver, was die Kundenzufriedenheit und dadurch auch die Kundenbindung erhöht, da sich Mieter*innen bei Problemen und Anliegen unmittelbar mit den Wohnungsunternehmen in Verbindung setzen können.  Zudem können die Wohnqualität und die Zufriedenheit der Mieter*innen durch direkte Beteiligung erhöht und eine sichere Planung der Unternehmen gewährleistet werden (vgl. ebd.: 52).



Lauerbach, Teresa 2019: Wachstum deutscher Großstädte und innerstädtische Ent-wicklung. In: BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hg.) 2020: Das Neue Wachstum der Städte. Ist Schrumpfung jetzt abgesagt? H. 01/2020, S. 15 – 24. Verfügbar: <https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BBSROnline/2020/bbsr-online-01-2020-dl.pdf?__blob=publicationFile&v=6> (Zugriff: 2020-02-25). 

Löbe, Luciana; Sinning, Heidi 2019: Sharing-Ansätze im Bereich Wohnen und Quartier-sentwicklung – Handlungsfelder, Potenziale und Restriktionen. In: Sinning, Heidi; Spars, Guido (Hg.) 2019: Sharing-Ansätze für Wohnen und Quartier: Nachhaltigkeits-transformation, kollaborative Konsummodelle und Wohnungswirtschaft, S. 57-70. 

Meyer, Sibylle; Schulze, Eva 2009: Smart Home für ältere Menschen: Handbuch für die Praxis. 

Mittermüller, Nadine; Fischer, Thomas; Riedl, Rene (2019): Digitaler Stress im Smart Home: Eine empirische Untersuchung. 

Brinker, Werner (Hg.); Hengelage, Kirsten 2014: Next Energy. Erzählungen aus unserer Zukunft. Offenbach. 

BMFSFJ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) 2016: Digi-talisierung in deutschen Haushalten: Wie Familien mehr Qualitätszeit gewinnen kön-nen. Verfügbar: <https://www.bmfsfj.de/blob/100556/22337b52e49a0118ef08c6018584eece/studie-digitalisierung-deutsche-haushalte-data.pdf> (Zugriff: 2020-02-22). 

Bölting, Torsten; Königsmann, Thomas; Neitzel, Michael 2016: Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft: Chancen und Risiken. Verfügbar: <http://www.bid.info/wp-content/uploads/2012/10/160915_InWIS-Studie-Digitalisierung-in-der-Immobilienwirtschaft-Finale-Studie.pdf> (Zugriff: 2020-02-22). 

GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (Hg.) 2019: Wohnungswirtschaftliche Daten und Trends 2019/2020: Zahlen und Analysen aus der Jahresstatistik des GdW. Verfübar: <https://web.gdw.de/uploads/pdf/publikationen/GdW-DT-2019_Kurzfassung.pdf> (Zugriff: 2020-02-27). 

Ginski, Sarah; Koller, Barbara; Schmitt, Gisela (2012): IBA Berlin 2020: Kurzüber-blick/Projektrecherche „Besondere Wohnformen“. Verfügbar: <https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/baukultur/iba/download/studien/IBA-Studie_Besondere_Wohnformen.pdf> (Zugriff: 2020-02-22). 

Strese, Hartmut et al. 2010: Smart Home in Deutschland: Untersuchung im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung zum Programm Next Generation Media (NGM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Verfügbar: <https://www.iit-berlin.de/de/publikationen/smart-home-in-deutschland> (Zugriff: 2020-02-22). 

Statistisches Bundesamt 2019: Altersgerechtes Wohnen: 85 % aller Seniorenhaushalte   hatten 2018 keinen stufenlosen Zugang zur Wohnung. Pressemitteilung Nr. 50 vom 10.12.2019. <https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2019/PD19_50_p002.html> (Zugriff: 2020-02-21). 

TMIL - Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (Hg.) 2018: Zweiter Wohnungsmarktbericht Thüringen. Verfügbar: <https://www.thueringen.de/mam/th9/tmblv/zweiter_thuringer_wohnungsmarktbericht.pdf> (Zugriff: 2020-02-23). 

Häußermann, Hartmut 2009: Zur Notwendigkeit neuer Wohnformen: Gemeinschaftli-che Bedürfnisse der individualisierten Gesellschaft. In: morgen: wohnen, S. 12-19. 

Tenzer, F. 2019: Statistiken zum Thema Digitale Sprachassistenten, <https://de.statista.com/themen/4271/digitale-sprachassistenten/> (Zugriff: 2020-02-28).

Weiß, Christine; Stubbe, Julian; Naujoks, Catherine; Weide, Sebastian (Hg). 2017: Digi-talisierung für mehr Optionen und Teilhabe im Alter. Verfügbar: <https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Smart_Country/DigitaleTeilhabe_2017_final.pdf> (Zugriff: 2020-02-20).

Havlat, Oliver 2020: Smart Home – Das „intelligente Zuhause“. Verfügbar: <https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/smart-home-das-intelligente-zuhause-6882> (Zugriff: 2020-02.25). 

Wonneberger, Eva 2015: Neue Wohnformen: Neue Lust am Gemeinsinn?, Wiesbaden.